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Andreas Blaut

Warum EMS im Mittelstand nur mit Wandel eine Zukunft hat – Interview mit Andreas Blaut, Geschäftsführer EPS Elektronic

 

Die Elektronikbranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen: volatile Lieferketten, steigende Kundenanforderungen und der zunehmende Wettbewerbsdruck stellen insbesondere mittelständische EMS-Dienstleister vor große Herausforderungen.
Wie gelingt es einem Unternehmen, sich in diesem Umfeld nicht nur zu behaupten, sondern aktiv die Zukunft zu gestalten?

Im Interview spricht Andreas Blaut, Geschäftsführer der EPS Elektronic Products & Services GmbH, über den erfolgreichen Wandel seit 2021, die klare Service-Strategie des Unternehmens und warum Digitalisierung, Werteorientierung und partnerschaftliche Zusammenarbeit entscheidende Erfolgsfaktoren sind.

 

Frage: Herr Blaut, Sie sind im Mai 2021 zu EPS gestoßen. Was stand zu Beginn Ihrer Tätigkeit im Mittelpunkt? 

Andreas Blaut: Als ich im Mai 2021 zu EPS kam, standen zwei Prioritäten im Fokus: die Organisation in einer herausfordernden Versorgungslage zu stabilisieren und das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. Wir haben die Verantwortungsübergabe geordnet gestaltet, ein Führungsteam aufgebaut, klare Entscheidungsstrukturen etabliert und die Materialversorgung abgesichert – unter anderem mit KI-gestützten Echtzeit-Tools. In einem zweiten Schritt haben wir ein transformationale Führungskultur verankert und unser Mehrwertversprechen für Mitarbeitende und Kundinnen/Kunden konkretisiert. 
Der dritte Schritt war, gezielt in Fertigungsanlagen und durchgängige Prozesse zu investieren. Wichtig war uns auch der erlebbare Servicegewinn für unsere Kunden: So einfache Dinge wie gute Erreichbarkeit, transparente Kommunikation, wettbewerbsfähige und auch aussagefähige Angebote und ein beschleunigtes Anlaufmanagement. Auf dieser Basis haben wir zu Jahresbeginn eine fokussierte, digitale Neukundenakquise gestartet – mit dem Anspruch, für bestehende wie neue Partner ein verlässlicher, lösungsorientierter und im positiven Sinne außergewöhnlicher EMS-Anbieter zu sein.

 

Frage: Wie würden Sie die Strategie von EPS heute beschreiben?

Wir verstehen uns als serviceorientierter Serienfertiger für elektronische Baugruppen.

Unsere Strategie ruht dabei auf drei Säulen: erstens konsequente Kundennähe mit starker Fertigungs-Kompetenz, zweitens operative Exzellenz über außergewöhnlichen Service und drittens eine resiliente, transparente Beschaffung. Praktisch bedeutet das: Wir binden Kundinnen und Kunden früh über automatisierte Machbarkkeitsanalysen und Prototyping ein, führen New-Product-Introductions mit klaren Meilensteinen und belastbaren Qualitätskriterien durch und sichern die Materialverfügbarkeit durch Mehrquellen-Strategien und insbesondere bei aktiven Bauteilen auch Bezug direkt aus China. Nachweisbare Qualität (Traceability, passende Testkonzepte, kontinuierliche Prozessfähigkeitsnachweise) und eine Führungskultur, die Verantwortung und Weiterentwicklung fördert, sind fester Bestandteil.

 

Kurz: Wir verbinden die Agilität eines mittelständischen EMS mit der Skalierungs- und Liefersicherheit einer starken Gruppe – immer mit dem Anspruch, als partnerschaftlicher Dienstleister stabile Serien, schnellere Anläufe und verlässliche Gesamtkosten über den gesamten Produktlebenszyklus zu liefern.

 

Frage: Wie erreichen Sie diese  Serviceorientierung?

Serviceorientierung entsteht bei unserer Werteorientierung und Digitalisierung in unseren Kernprozessen.

Konkret bedeutet dies:

  • Service-Charta & Service-Level-Agreements: Verbindliche Reaktions-, Kommunikations- und Änderungsstandards – von der Angebotserstellung bis zum Serienbetrieb.
  • Kundenteams mit Verantwortung: Ein fester Ansprechpartner, der erreichbar ist, kompetent antworten kann und sogar vertreten wird.
  • Frühe Einbindung (DfM): Frühzeitige automatisierte Analyse der Fertigbarkeit auf Basis der IPC und Komponentenverfügbarkeit, damit Time-to-Market und Kosten verlässlich bleiben.
  • Transparenz in Echtzeit: Digitale Status- und Termin-Informationen, offene Stücklisten-Risiken – nachvollziehbar für Kundinnen und Kunden.
  • Robuster Neuanlaufprozess: Klare Meilensteine vom Muster bis zur Serie, definierte Verantwortlichkeiten und sauber dokumentierte Übergaben.
  • Beschaffungs- & Logistikservice: Mehrquellen-Strategien, insbesondere mit Bezug von aktiven Bauteilen aus verlässlichen Quellen direkt aus China, um auch preislich wettbewerbsfähig zu sein.
  • Qualitätsmanagement mit Tempo: 8D -Prozesse mit definierten Fristen, präventive FMEAs und kontinuierliche Prozessfähigkeitsnachweise.
  • Messgrößen, die zählen: Durchlaufzeiten für Angebote/Änderungen, OEE,  PPM, Antwort- und Reaktionszeiten der QM – transparent im Shopfloor.
  • Befähigte Teams & Kultur: Shopfloor-Management, Inspiration, Eigenverantwortung und sinnstiftende Tätigkeiten sind bei uns keine Fremdwörter sondern werden gelebt.

So verbinden wir unsere Werte – Professionalität, Flexibilität und Partnerschaftlichkeit – mit der Rolle als serviceorientierter Serienfertiger: spürbar im täglichen Miteinander, messbar in stabilen Anläufen und verlässlich in der Serie.

 

Frage: Was bedeutet „Kultur & Führung“ bei EPS konkret?

Unter Kultur & Führung verstehen wir bei EPS eine wertebasierte, respektvolle Zusammenarbeit mit Kunden und Mitarbeitern und ein Führungsverständnis, das Menschen befähigt und Leistung messbar macht. Konkret heißt das:

  • Werteorientierung im Alltag: Verlässlichkeit, Verantwortung, Transparenz und Respekt leiten Entscheidungen – nach innen wie nach außen. Vielfalt, Eigeninitiative, gegenseitige Inspiration sind ausdrücklich gewollt.
  • Führen durch Klarheit und Vertrauen: Wir leben ein positives Menschenbild vor. Dies resultiert zu Beginn immer in einem Vertrauensvorschuss. Auf Basis der transformationalen Führung schaffen wir über eine Vision Sinn und geben eine klare Richtung vor. Den Weg diskutieren wir gemeinsam. Hier kann sich jeder einbringen.
  • Shopfloor- und Kommunikations-Routinen: Tägliche kurze Abstimmungen, visuelles Management (Shopfloorboards) und klare Eskalationspfade sichern Tempo und Qualität entlang der Wertschöpfung.
  • Entwicklung & Befähigung: Wir generieren immer wieder Möglichkeiten für unsere Mitarbeiter, an erweiterten Aufgaben zu wachsen. Dabei versuchen wir so weit wie möglich auf die Wünsche der Mitarbeiter einzugehen. Manchmal sehen wir aber auch als Vorgesetzter die Potentiale des Mitarbeiters und fördern diese gezielt. Auch Inspiration ist ein wichtiger Faktor, dem wir Raum geben.
  • Kundenfokus über Funktionen hinweg: Interdisziplinäre Teams aus Vertrieb, AV, Einkauf, Qualität und Fertigung arbeiten end-to-end für stabile Serien und spürbaren Service.

Kurz: Unsere Kultur verbindet Haltung mit Industrie. So entsteht Führung, die Orientierung gibt, Teams stärkt und Ergebnisse liefert – die Basis dafür, als serviceorientierter Serienfertiger verlässlich Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden zu schaffen.

 

 Frage: Wie hat sich EPS seit 2021 entwickelt?

EPS ist als Mittelständler professionell und prozessorientiert geworden, aber dennoch flexibel geblieben. Wir haben uns technisch voll auf Stand gebracht, haben im Bereich der Miniaturisierung auch kleinste Bauteile bereits verbaut und brauchen uns technisch nicht zu verstecken. Aber vor allem sind wir ein professioneller Dienstleister geworden, der Kundenerwartungen erfüllt und auch übertrifft. Und das bei voller preislicher Wettbewerbsfähigkeit.

Insofern sind wir mit unserer Entwicklung bei der EPS sehr zufrieden und stolz darauf, diesen Weg so erfolgreich gegangen zu sein.

Jetzt arbeiten wir daran, dies immer mehr Kunden sichtbar und zugänglich zu machen. Denn unser Feedback von Kunden ist sehr positiv.

 

Frage: Wie finden Sie dazu geeignete Mitarbeiter in Zeiten des Fachkräftemangels?
Wir zahlen keine Prämien für Bewerbungen und haben auch lange nicht mehr mit Personaldienstleistern zusammengearbeitet. Wir haben auch nicht das attraktivste Gebäude. Und auch die Gehälter sind fair, aber auch nicht oberhalb des Durchschnitts.

Es sind eher unsere inneren Werte.

Faire und authentische Führungskräfte, eine sinnstiftende Vision, Raum für Eigeninitiative, die Möglichkeit Wandel zu gestalten. Spricht einen Bewerber dies an, ist er bei uns richtig und wir freuen uns auf ihn.

Um die Bewerber zu erreichen, agieren wir selbst dabei aktiv und sprechen Bewerber auch wirklich aktiv an. Zusätzlich nutzen wir neben den verschiedenen digitalen Plattformen auch Social Media Kanäle. Und wir haben sogar einen Mitarbeiter aus Tunesien nach Deutschland geholt. Allerdings war dieser Weg aufgrund der Bürokratie wirklich hart. Aber er war es wert.

Und der schönste Weg, wie wir Mitarbeiter gewonnen haben, ist durch die Vermittlung von Mitarbeitern. Aber nicht, weil es dafür eine Prämie gab, sondern weil es bei uns Spaß macht, gemeinsam etwas aufzubauen.

 

Frage: Lieferketten bleiben volatil. Wie sichern Sie Versorgung und Time-to-Market ab? 

Wir sichern Versorgung und Time-to-Market mit einem durchgängigen System aus frühem Design-Einfluss, transparenter Datenlage und belastbaren Beschaffungs-/Logistikmodellen. Konkret setzen wir auf:

  • Design-to-Availability & DfX: Bereits in der Angebots- und Neuanlaufsphase prüfen wir Verfügbarkeit, Lebenszyklen und PCN/EOL-Risiken und schlagen dem Kunden gegebenenfalls Alternativen vor – so reduzieren wir Engpässe, bevor sie entstehen.
  • Digitale Transparenz in Echtzeit: KI-gestützte Tools bewerten Stücklistenrisiken (Lead Times, Allokation, Preistrends) und triggern Alerts; Kunden werden frühzeitig über diese Risiken informiert.
  • Mehrquellen-Strategie & Rahmenverträge: Qualifizierte Distributoren in Europa, aber auch direkt in Asien, verbindliche Abruf-/Lieferpläne und – wo sinnvoll – Last-Time-Buys mit vorheriger Freigabe.
  • Qualifizierte Qualitätssicherung in der Beschaffung: Wareneingangs-/X-Ray-Prüfungen und Traceability – ohne Kompromisse.
  • Szenarioplanung & Engpassboards: Tägliche Shopfloor-Reviews und schnelle Eskalationspfade mit klaren Entscheidungsrechten.
  • Gruppenstärke: Unterstützung innerhalb der ELEKTRONIK-GRUPPE bei schwer verfügbaren Bauteilen

So bleiben wir als werteorientierter, serviceorientierter Serienfertiger lieferfähig und schnell – mit stabilen Anläufen, verlässlichen Terminen und kalkulierbaren Gesamtkosten über den gesamten Produktlebenszyklus.

 

Frage: Was machen Sie konkret, um der aktuellen Wirtschaftskrise möglichst gut zu trotzen?
Wir begegnen der aktuellen Konjunkturlage mit Klarheit, Tempo und Werteorientierung. Unser Ansatz verbindet Kundenfokus, operative Exzellenz und robustes Cash-Management – mit Maßnahmen, die kurzfristig wirken und langfristig tragen:

  • Umsatz sichern & fokussieren: Nach unserem Wandel haben wir unsere Bestands-und Neukunden von unserem Service und unserer Zuverlässigkeit überzeugt. Dadurch verlieren wir selbst aktuell keinen Kunden, auch wenn die Bedarfe der Kunden natürlich reduziert sind.
  • Digitale Neukundenakquise ausbauen: Digitale Kampagnen, schlanke Angebotsprozesse, eine Service- und Werteversprechen erhöhen die Conversion – von der ersten Anfrage bis zum Serienstart. In diesem Bereich warten wir nicht, dass das Telefon klingelt sondern handeln aktiv. Und dies haben wir bereits vor der Krise gestartet und setzen dies seitdem konsequent und digital um.
  • Faire Preis- und Vertragsmodelle: Transparente Angebote, Rahmenabrufe und mehrjährige Vereinbarungen schaffen Planbarkeit – für Kundinnen/Kunden und Lieferanten gleichermaßen.
  • Szenarioplanung: Ein durchgängiger Sales-, Inventory- & Operations-Prozess mit verschiedenen Szenarien schafft Verlässlichkeit bei Kapazität, Material und Terminen.
  • Arbeitskapital konsequent steuern: Eine detaillierte Liquiditätsplanung, eine sehr intensive Beschaffungsplanung und auch -begrenzung und als Basis dafür eine sehr enge Abstimmung aus Vertrieb, Produktion und Einkauf sichern ein absolut solides Cash-Flow-Management.
  • Menschen stärken: Transparente Kommunikation, Weiterbildung und eine respektvolle Führungskultur binden Talente und erhalten Leistungsfähigkeit – gerade in anspruchsvollen Zeiten.

Wir bleiben verlässlich, kosteneffizient und schnell – mit stabilen Anläufen, belastbaren Terminen und messbarem Nutzen für unsere Kundinnen und Kunden.

 

Frage: Was dürfen Kunden und Bewerber erwarten?

Wir werden weiter investieren – In unsere Vision, in unsere Werte, in unsere Mitarbeiter, in unsere Prozesse, in unsere Fertigungsanlagen, in unsere wirtschaftliche Stabilität, damit unsere Kunden einen immer besseren und schnelleren Service erhalten und zufrieden wiederkommen und uns weiterempfehlen. Wir wollen und werden zeigen, dass auch Mittelständler im EMS-Dienstleistungsmarkt in Deutschland ihre Existenzberechtigung haben und sogar etwas anbieten, was man in China und auch in Osteuropa in dieser Form nicht findet.